Windkraft
Neue Verwaltungsvorschrift „Naturschutz/Windenergie“
In Hessen ist die neue Verwaltungsvorschrift (VwV) „Naturschutz/Windenergie“ 2020 am 4. Januar 2021 in Kraft getreten. Sie regelt die Berücksichtigung der Naturschutzbelange bei der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA) in Hessen.
Unseres Erachtens relativiert diese Vorschrift viele Artenschutzeinschränkungen zugunsten der Windkraft. Ein Kernaussage ist z.B.: Vor dem Hintergrund, dass knapp 98 Prozent der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie ausgeschlossen sind und die für den Windenergieausbau regionalplanerisch gesicherten Gebiete die ausreichend windhöffigen und vergleichsweise konfliktarmen Flächen darstellen, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass in den WEA-VRG (Vorranggebiete) beim Eintritt eines artenschutzrechtlichen Zugriffsverbotes das öffentliche Interesse an der Energieversorgung das öffentliche Interesse am Artenschutz deutlich überwiegt. Dies bedeutet für uns im Jossgrund konkret, das auf unseren etwa 430 ha Vorrangflächen (Zusammenstellung s. u. Windkraft Ausbau-Potentiale im Jossgrund), völlig unabhängig vom Artenschutz geplant werden kann. Sollten sich also z.B. im Schwarzen Grund demnächst Rotmilane und Schwarzspechte einfinden, spielt das für den Bau von WEA dort keine Rolle mehr!?
Und wie eine Drohung gegen unsere Vorbehalte, insbesondere gegen weitere WEA direkt an unserer Trinkwassergewinnung im Schwarzen Grund, wirken Sätze wie diese: §4.1.2: "...Zur Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Energieversorgungsziele ... ist es entscheidend, die in den TPEE festgelegten Vorranggebiete zur Nutzung der Windenergie für diese Nutzung auszuschöpfen. Neben der ... ist auch die vollständige und flächeneffiziente Ausnutzung der WEA-VRG erforderlich."!!
Update 09.03.2021
Inzwischen ist diese Verwaltungsvorschrift schon von einem Gericht bewertet und "kassiert" worden:
Der hessische Verwaltungsgerichtshof urteilte am 14.01.2021 zum Thema: „Immissionsschutzrechtliche Genehmigung von Windenergieanlagen; Mindestabstand zu einem Rotmilanhorst“
Auszug aus der Begründung bzgl. der Verwaltungsvorschrift (Quelle: https://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE210000116)
Grund 19: Die ... seit dem 1. Januar 2021 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift „Naturschutz/Windenergie“ des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ..., die für den Rotmilan einen Mindestabstand vom Brutvorkommen zur WEA von nur 1.000 m empfiehlt, rechtfertigt keinen anderen Befund. Bei der VwV 2020 handelt es sich nach den eigenen Angaben in deren Einleitung und Zielsetzung (vgl. Seite 4 der VwV 2020) lediglich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die gegenüber Gerichten keine Bindungswirkung entfaltet.
Durch dieses Urteil wird für 3 im Bau befindliche WEA des Windparks „Wotan“ bei Langenthal (Nordhessen) aufgrund einer Klage der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ein Baustopp erwartet.
Für die Vorrangflächen im Jossgrund heisst das, das Befürchtungen, das Artenschutzargumente durch die Verwaltungsvorschrift ausgehebelt werden, erst mal nicht zutreffen. Erkennbar ist aber auch, das die politische/juristische Auseinandersetzung um die Windkraft wohl weiter gehen wird...
Föderalismus bei Windkraft hinterfragen?
Im Dezember wurde in Thüringen beschlossen WEA im Wald zu verbieten. Bayern bleibt bei „10H - Regelung“, d.h. Mindestabstand zur nächstgelegenen Siedlung 10 mal die Höhe der WEA, bei aktuellen Modellen damit 2500 m. Hessen hat im TPEE festgelegt: 1000 m Siedlungsabstand, für „Kleinsiedlungen“ 600m (gilt z.B. für Villbach zum VRG 2-304). Muss man eigentlich als Bundesbürger (zumal wir in einer „Grenzregion“) solche krassen Unterschiede bei einem klar überregionalen Thema wie der Energieversorgung hinnehmen?
Neuigkeiten aus der Region
Eurowind hat im Dezember bei Schwarzenfels (Sinntal) eine neue WEA beantragt (Vorranggebiet 2-48, neuer Prototyp, Vergleich mit Rosskopf: Gondelhöhe 30m höher, Rotordurchmesser 50m mehr, Leistung mehr als verdoppelt) (Fuldaer Zeitung, 10.02.2021). Geplant ist der Einsatz einer Siemens Gamesa SG 5.8-170 (Quelle: https://www.hlnug.de/themen/luft/windenergie-in-hessen.html)
(Quelle: Siemens Gamesa Produktbroschüre)
Update 24.03.2021
Zwei Windparks in Birstein
Aktuelle Situation im Jossgrund
Windpark Rosskopf
Die 6 WEA am Rosskopf laufen seit Sommer letzten Jahres. Wieviel kWh sie bereits erzeugt haben und welche Pachteinnahmen die Gemeinde Jossgrund dabei erzielt hat, ist uns nicht bekannt. Angaben zum Stromertrag werden von den Betreibern vermutlich auch nicht gemacht werden. Dies wird in der Branche als Geschäftsgeheimnis angesehen und leider nicht transparent gemacht. Aber vor dem Bau wirbt man damit den Strom für x-tausend Haushalte erzeugen zu können...
Eine Kennzahl für den Ertrag von WEA sind die „Jahresvolllaststunden“. Ein theoretischer Vergleichswert, der ermittelt wird, indem die in einem Jahr erzeugten kWh durch die Maximal-Leistung der Anlagen geteilt wird. Wenn also die Anlagen am Rosskopf, die eine Maximalleistung von 16.500 kW (6 x 2750 kW) haben, z.B. im Jahr 16.500.000 kWh erzeugen würden, hätten sie 1000 Vollaststunden erreicht. Ein sehr schlechter Wert, ein Jahr hat schließlich 8760 h (365 x 24h). Die Betreiber nennen für moderne WEA Werte um 3000 Vollaststunden. Wieweit das für „unsere“ WEA konkret zutrifft, wissen wir nicht (s.o.).
Durchschnittswerte für die Vollaststunden aller WEA in Deutschland lassen sich jedoch ermitteln. Die Maximal-Leistung aller Anlagen werden bei der Bundesnetzagentur erfasst und die großen 4 Netzbetreiber in Deutschland, an denen die ganzen Windparks angeschlossen sind, ermitteln die Summen der Stromerträge um die Einspeisevergütung etc. abzurechnen. Da es bei dieser Abrechnung lange Fristen gibt, sind die jüngsten verfügbaren Zahlen von 2018 und liegen bei nur 1801 h (Quelle: http://windmonitor.iee.fraunhofer.de/windmonitor_de/3_Onshore/5_betriebsergebnisse/1_volllaststunden/). Die 3000 und mehr Stunden, die Projektierer bei der Kalkulation verwenden, um hohe, davon abhängige Pachteinnahmen zu versprechen, rühren daher, das neuere, speziell für Schwachwind ausgelegte WEA viel bessere Werte erzielen würden als der deutsche Durchschnitt.
Windkraft Ausbau-Potentiale im Jossgrund
Im Jossgrund kann die Windkraft weiter ausgebaut werden auf den im TPEE 2019 (Teilplan Erneuerbare Energien, in Kraft getreten am 30.03.2020) ausgewiesenen Vorranggebieten (VRG). Dies sind folgende Flächen:
- VRG 2-76 im Gemeindewald, 158,1 ha. Dort stehen bereits 5 der 6 WEA des Windparks Rosskopf. Sehr grob rechnet man mit einem Mindestflächenbedarf von 10 ha pro WEA, das hieße bis zu 10 weitere Anlagen könnten platzierbar sein
- VRG 2-303 zwischen der Trinkwassergewinnung im Schwarzen Grund und dem Rabenberg, 28,6 ha, etwa 25 ha davon auf Jossgründer Gemarkung, der Rest beim Gutsbezirk Spessart, maximal 3 (?) WEA denkbar
- VRG 2-304a zwischen Schwarzem Grund und Lettgenbrunn, 71,9 ha, maximal 7 (?) WEA denkbar
- VRG 2-304 zwischen Villbach/Golfplatz und Bad Orb bzw. Biebergemünd, 454,8 ha. Der Anteil, der davon auf Jossgründer Fläche liegt, beträgt etwa 110 ha, 10 (?) WEA denkbar
- VRG 2-934 in der Gollmich, 31,5 ha, Potential für 3 (?) WEA
Dazu kommen demnächst, abhängig von den Beschlüssen der Regionalkonferenz, weitere sogenannte „Weißflächen“ über deren Zuordnung im TPEE 2019 noch nicht entschieden wurde. Der Entwurf zur 1. Änderung des TPEE 2019 soll diese Entscheidung vorantreiben, er wurde am 13.10.2020 veröffentlicht, Kommentare dazu waren für Jedermann bis Ende 2020 möglich. Auch die FWG hat dies genutzt und einen vom Team Energie und Umwelt erarbeiteten Kommentar beim Regierungspräsidium Darmstadt eingereicht. Details zur weiteren Befassung liegen bisher noch nicht vor.
Bleibt es bei den Zuordnungen des 1. Entwurfs, wird im Jossgrund nur ein VRG erweitert:
- VRG 2-76 im Gemeindewald würde Richtung Lohrhaupter Höhe / Waldspitze und im Nordosten an der vorhandenen WEA 3 um insgesamt 77,3 ha erweitert. Die Erweiterung an der WEA 3 ist nur ca. 10 ha groß und durch diese Anlage schon besetzt, d.h. Hier wäre kaum Ausbaupotential. Die verbleibenden etwa 67 ha verteilen sich auf Jossgründer und Flörsbachtaler Gebiet, etwa 28 ha davon liegen im Jossgrund mit Potential für ca. 3 (?) WEA.